Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
die derzeitigen Streiks in Gießen und Marburg haben das mediale Interesse am UKGM und den laufenden Verhandlungen mit dem Land Hessen erneut verstärkt. Wir verstehen, dass diese Situation große Verunsicherung bei Ihnen hervorruft und sichere Arbeitsplätze ein zentrales Anliegen für Sie sind. Auch deshalb können wir den öffentlich geäußerten Vorwurf, wir würden die Verhandlungen mit dem Land verzögern und um das UKGM „zocken“, nicht unkommentiert lassen. Er entspricht selbstverständlich nicht der Realität – im Gegenteil: Er verzerrt sie bis zur Unkenntlichkeit.
Uns liegen die Arbeitsbedingungen am UKGM sehr am Herzen – so waren wir seit Beginn der Verhandlungen mit dem Land immer bereit, den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen aufrechtzuerhalten und auf Ausgliederungen im Rahmen einer Gesamteinigung zu verzichten. Gleichzeitig haben wir zugesagt, alle Gewinne des UKGM hier zu reinvestieren. Zu diesen Zusagen sowie auch zu allen anderen Vereinbarungen in der Absichtserklärung (LoI) vom Januar 2022 stehen wir weiterhin uneingeschränkt. Die Voraussetzung für diese Zusagen ist natürlich, dass das UKGM langfristig auf einem tragfähigen wirtschaftlichen Fundament steht. Denn nur das ist die Basis für gute Arbeitsbedingungen und sichere Arbeitsplätze.
Fördermittel des Landes Hessen sind Voraussetzung für sichere Arbeitsplätze
Entscheidende Säule dafür sind und bleiben die Investitionsfördermittel, zu deren Zahlung das Land Hessen verpflichtet ist und die jedes Krankenhaus in Deutschland – öffentlich, gemeinnützig oder privat – trägerunabhängig erhält. Sie bilden die wirtschaftliche Grundlage für Investitionen und damit die langfristige Sicherung des UKGM. Genau so ist es gesetzlich von der dualen Krankenhaus-finanzierung vorgesehen. Und deshalb war es gut, dass wir uns in der Absichtserklärung (LoI) im Januar mit dem Land im Grundsatz darauf geeinigt haben, die Ungleichbehandlung des UKGM endlich zu beenden.
Aktuell fehlen uns diese Fördermittel – und das schon seit vielen Jahren. Das UKGM erhält lediglich 8,1 Mio. Euro Investitionsfördermittel pro Jahr. Zum Vergleich: Das kleinere Universitätsklinikum Frankfurt wird jährlich mit rund 57 Mio. Euro gefördert. Und dafür muss das Klinikum, in dem Wissenschaftsministerin Angela Dorn Aufsichtsratsvorsitzende ist, keine Gegenleistungen erbringen, beispielsweise keine Verpflichtung zu flankierenden Eigenmittelinvestitionen.
Solange das Land dem UKGM und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die dringend benötigten Mittel für erforderliche Investitionen vorenthält, müssen diese – wie in den vergangenen Jahren – aus dem laufenden Betrieb erwirtschaftet oder als Kredite aufgenommen werden. Das entlastet zwar den Landeshaushalt Hessens jährlich um viele Millionen, geht jedoch direkt zu Lasten von Ihnen allen, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Die derzeit stattfindenden Streiks finden daher am falschen Ort statt! Anstatt in Gießen und Marburg für einen Kündigungsschutz zu streiken, muss endlich die Wurzel des Problems angepackt werden: die jahrelange rechtswidrige Ungleichbehandlung des UKGM durch das Land Hessen!
Trojanisches Pferd für das UKGM
Aktuell stehen wir noch vor einem letzten offenen Verhandlungspunkt mit dem Land Hessen. Dieser ist aber zentral, um einen erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen herbeizuführen. In politischen Parolen gehüllt, klingt es nach einer Banalität – in Wirklichkeit steckt dahinter die entscheidende Frage, ob das UKGM genauso behandelt wird, wie alle anderen Krankenhäuser auch. Nachdem Ministerin Dorn diesen Punkt nun öffentlich in einem Zeitungsinterview benannt hat, möchten wir gerne die Gelegenheit nutzen, Sie hierüber umfassend zu informieren.
In der gemeinsamen Absichtserklärung vom Januar 2022 haben wir festgehalten, dass Regelungen gefunden werden, wie im hypothetischen Falle eines Verkaufs des UKGM eine Wertsteigerung, die das UKGM durch die Gewährung von Investitionsfördermitteln erfahren könnte, angerechnet wird. Über die Details einer solchen Regelung zu reden ist alleine ein politisches Bedürfnis, weil sich in der Realität diese Frage eines Verkaufs überhaupt nicht stellt. Was wir daher nicht nachvollziehen können, ist, warum – trotz aller Zugeständnisse unsererseits – in dieser Frage nun Positionen aufgestellt werden, die die Verhandlungen zum Scheitern bringen können. Denn die Positionierung von Frau Ministerin Dorn führt letztlich dazu, dass die im LoI vereinbarten Fördermittel faktisch überhaupt keine Fördermittel mehr sind. Wir erklären Ihnen die Hintergründe dazu gerne wie folgt:
Konkret würde die aktuelle Forderung des Landes dazu führen, dass die im LoI vereinbarten Fördermittel zu großen Teilen in eine Art rückzuzahlende Liquiditätshilfe oder Kredit uminterpretiert würden. Das Land bietet also ein Trojanisches Pferd, das optisch schön aussieht und „Fördermittel“ genannt wird, aber bei genauerer Betrachtung vor allem Nachteile beinhaltet. Sie können sich das so vorstellen: Ein Hausbesitzer beantragt beim Staat Unterstützung für die energieeffiziente Sanierung und erhält dafür einen Zuschuss. Jahre später muss er sein Haus verkaufen und dann – völlig unabhängig davon, wie sich der Wert des Hauses insgesamt entwickelt hat – diese staatliche Förderung zu großen Teilen wieder zurückzahlen. Das hat mit Fördermitteln nichts zu tun; das wäre ein klassischer Kredit!
So ähnlich würde es auch beim UKGM sein, wenn es nach den Vorstellungen der Ministerin ginge. Allerdings kommt bei einem Unternehmen noch hinzu, dass kontinuierlich investiert und erneuert werden muss, um den Krankenhausbetrieb aufrechtzuerhalten. Eine Investition bedeutet, dass zunächst einmal die Substanz erhalten wird und nicht, dass eine Wertsteigerung eintritt. Nur wenn die Investitionen über den Erhalt der Substanz hinausgehen und bei uns beispielsweise zusätzliche Behandlungen ermöglichen, tritt eine Wertsteigerung ein, die wir nach dem LoI abziehen bzw. zurückzahlen könnten. Dieser Logik verschließt sich die Ministerin aber leider. Selbst das Finanzministerium räumt ein, dass derartige Förderauflagen äußerst ungewöhnlich sind.
Forderung des Landes würde Benachteiligung des UKGM für viele weitere Jahre festschreiben
Um es ganz klar zu sagen, wir stehen weiterhin zu der Vereinbarung aus dem LoI: Sollte das UKGM zwischen dem Zeitpunkt der LoI-Vereinbarung und einem theoretischen Verkauf also an Wert zulegen, würden die Wertzuwächse, die durch die Fördermittel „verursacht“ wurden, im Kaufpreis angerechnet.
Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Sie sehen, dass die stark vereinfachten Aussagen von Ministerin Dorn vielleicht eine gute Zeitungsschlagzeile hergeben, aber der sehr komplexen Gesamtsituation in keiner Weise gerecht werden. Denn plant die Landesregierung auch die Fördermittel für alle anderen Kliniken in Hessen bei möglichen Weiterverkäufen an einen anderen Klinikbetreiber zurückzufordern? Wird das auch mit den Fördermitteln für die Uniklinik Frankfurt so festgelegt? Klar: Das sind alles sehr unwahrscheinliche, heute rein theoretische Szenarien – aber genauso theoretisch und unwahrscheinlich ist eben auch der Fall eines Verkaufs des UKGM. Es darf nicht darum gehen, wie in einem politischen Wahlkampf, kurzfristig mit plakativen Parolen in die Medien zu kommen. Es muss für alle Beteiligten immer darum gehen, die Gleichbehandlung des UKGM sicherzustellen und so die langfristig beste Lösung für die Mitarbeitenden, die Patienten und den Standort Mittelhessen insgesamt zu erreichen. So ist es im LoI vereinbart und dafür werden wir kämpfen.
Wir führen bei der Umsetzung der Absichtserklärung das UKGM im Übrigen faktisch wie eine gemeinnützige Gesellschaft und erhalten als Eigentümer keinerlei Rendite. Hierzu sind wir auch weiterhin bereit. Mit den Forderungen des Landes, die für das UKGM trotz der umfangreichen Gegenleistungen immer noch keine echten Fördermittel bedeuten, würden die verantwortlichen Politiker in Wiesbaden freilich die Schlechterstellung des UKGM gegenüber allen anderen Kliniken dennoch auch für die kommenden zehn Jahre weiter zementieren. Eine Situation, die wir im Sinne der Mitarbeitenden und Patienten des UKGM nicht akzeptieren werden!
Wir haben in den vergangenen Jahren am UKGM trotz der systematischen Benachteiligung aus eigener Kraft viel erreicht. Nun hat Ministerin Dorn in jüngsten Medienberichten kritisiert, dass RHÖN die getätigten Investitionen am UKGM in den vergangenen Jahren auch über Kredite finanziert hat. Das hat uns sehr verwundert. Denn genau so ist es im Vertrag zur Privatisierung des UKGM zwischen dem Land Hessen und RHÖN klar geregelt. Haltlose Vorwürfe öffentlich zu machen und damit eine komplexe Situation künstlich anzuheizen, halten wir nicht für seriös.
Zukunft des UKGM erfolgreich gestalten
Wir sind fest davon überzeugt, dass das UKGM seine erfolgreiche Entwicklung auch in Zukunft fortsetzen kann. Dafür muss selbstverständlich weiter investiert werden, beispielsweise in hochmoderne medizinische Geräte, in Gebäude, ambulante Strukturen oder in die Digitalisierung. Und genau das werden wir auch tun – selbst dann, wenn das Land Hessen sich entscheiden sollte, das UKGM und seine Mitarbeitenden auch in Zukunft weiterhin massiv zu benachteiligen und keine zusätzlichen Fördermittel zu zahlen. In diesem Fall wären wir natürlich gezwungen, bis zu einer gerichtlichen Klärung die notwendigen Investitionen aus Eigenmitteln vorzufinanzieren.
Unsere Vision für das UKGM bleibt trotzdem ganz klar: Wir wollen die Position der drittgrößten Universitätsklinik Deutschlands weiter deutlich stärken. Das UKGM mit seinen beiden Standorten in Gießen und Marburg soll ein innovatives, modernes Uniklinikum sein, das an Veränderungen wie Digitalisierung und Ambulantisierung erfolgreich teilhaben kann. Ein Klinikum, das auch im internationalen Vergleich zu den Besten gehört und vernetzt agiert. Ein Leuchtturm für Patientenversorgung und Forschung.
Gleiche Bedingungen für das UKGM – Land Hessen muss jetzt verantwortlich handeln
Um noch einmal auf den Vorwurf von Ministerin Dorn zurückzukommen, es würde um das UKGM “gezockt”. Allein diese despektierliche Wortwahl zeigt leider das geringe Interesse, das Frau Dorn an einem Gelingen des ideologisch von ihr abgelehnten Projektes hat und damit auch am UKGM und seinen Mitarbeitenden. Für Sie, unsere Mitarbeitenden, für unsere Patienten, für die Menschen in Mittelhessen und für uns ist es alles andere, nur kein Spiel! Es geht um die Zukunft unseres UKGM! Es geht um sichere Arbeitsplätze! Es geht um gute Arbeitsbedingungen!
Aus persönlichen Gesprächen am UKGM wissen wir, dass viele von Ihnen, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sehr enttäuscht darüber sind, wie die zuständigen Politikerinnen und Politiker in Wiesbaden mit der Zukunft des UKGM derzeit umgehen.
Daher muss unsere gemeinsame Forderung lauten: Fördermittel müssen Fördermittel bleiben! Die Schlechterstellung des UKGM muss beendet werden. Das Land Hessen darf sich nicht aus seiner Verantwortung ziehen. Für eine pragmatische Lösung mit dem Land sind wir weiterhin offen und hoffen – auch in Ihrem Sinne – zeitnah zu einem erfolgreichen Abschluss zu kommen. Dafür haben wir der Ministerin Gespräche angeboten – und warten leider immer noch auf eine Antwort.
Es grüßen Sie herzlich
Dr. Christian Höftberger
Aufsichtsratsvorsitzender der UKGM GmbH und Vorstandsvorsitzender der RHÖN-KLINIKUM AG
Dr. Jan Liersch
Aufsichtsratsvorsitzender der RHÖN-KLINIKUM AG