Zeit ist Leben
Es beginnt ganz plötzlich mit Schwindel, Kopfschmerzen oder Sehstörungen. Spätestens wenn Mund, Wange, Augenlid und Arm auf einer Körperhälfte schlaff herunterhängen, spricht vieles für einen Schlaganfall – und das rund 270.000 Mal jährlich in Deutschland. Bei dieser Durchblutungsstörung im Kopf ist sofortige medizinische Hilfe erforderlich. Aber besonders in ländlichen Räumen lässt sie manchmal lange auf sich warten: Die nächste Klinik ist weit weg, die Wege für Rettungsfahrzeuge lang. Das kostet Zeit, die Betroffene nicht haben.
Um die Schlaganfallversorgung in der Region deutlich zu verbessern, hat die Klinik für Neurologie am RHÖN-KLINIKUM Campus Bad Neustadt zusammen mit verschiedenen Partnern schon 1998 die „Stroke-Angel"-Initiative ins Leben gerufen. Dabei handelte es sich um ein mit den Rettungsdiensten abgestimmtes Konzept für eine zeitgerechte Ein- und Zuweisung von Schlaganfallpatienten. Die Problematik ist heute noch genauso aktuell wie damals.
>> Vergingen früher vom Eintreffen des Patienten bis zur ersten computertomographischen Aufnahme bis zu einer halben Stunde, liegt die Dauer inzwischen nur noch bei zehn Minuten. <<
Dr. Soda, Klinik für Neurologie vom RHÖN-KLINIKUM Campus Bad Neustadt
TELEMEDIZINISCHER MEILENSTEIN NIDA-PAD
Im Schnitt erleidet alle 117 Sekunden ein Mensch in Deutschland einen so genannten Apoplex. Damit ist der Schlaganfall nach Herz- und Krebserkrankungen die dritthäufigste Todesursache in Deutschland. Jeder fünfte Schlaganfallpatient verstirbt innerhalb der ersten vier Wochen nach dem Ereignis, über 37 Prozent noch innerhalb von zwölf Monaten. Bei vielen Überlebenden bleibt eine Behinderung zurück. Mit dem verstärkten Einsatz von Telemedizin sollen diese Zahlen sinken. Seit 2005 setzt das Klinikum am Campus Bad Neustadt im Rahmen des Stroke Angel-Projekts darum auf die telemedizinische Anwendung NIDA-Pad. Sie wurde gemeinsam mit dem Bayerischen Roten Kreuz Rhön-Grabfeld entwickelt. Mit dem mobilen Touch-PC mit spezieller Software übermitteln Rettungskräfte erste medizinische Daten des Betroffenen sofort nach dem Eintreffen beim Patienten an die Klinik. Mit diesen Informationen können die Mediziner bereits frühzeitig Therapiemaßnahmen einleiten, noch während sich der Patient im Rettungswagen befindet. Bundesweit sind rund 130 Kliniken mit dieser Technik ausgerüstet.
PATIENTEN-VIDEOS MIT TELESTROKE SENDEN
Seit Kurzem ist das Nachfolgemodell Telestroke im Einsatz. Auch bei dieser Entwicklung war das RHÖN-KLINIKUM Campus Bad Neustadt beteiligt. Mit Telestroke können nicht nur Vitalparameter wie Herzfrequenz oder Blutdruck, sondern auch hochaufgelöste Videosequenzen des Betroffenen versendet werden. Zur technischen Ausstattung gehören zwei Akkus und auch zwei Netzkarten, damit die Datenübertragung reibungslos funktioniert.
„Heben Sie bitte Ihren linken Arm“, „Wie geht es Ihnen?“: Der Notarzt arbeitet den vom Programm vorgegebenen Fragenkanon ab und filmt die Reaktionen des Patienten. Dann schickt er die Aufnahme an den weiterbehandelnden Neurologen in die Klinik. „Vergingen früher vom Eintreffen des Patienten bis zur ersten computertomographischen Aufnahme bis zu einer halben Stunde, liegt die Dauer inzwischen nur noch bei zehn Minuten“, berichtet Dr. Hassan Soda, leitender Arzt der Akutneurologie II und Stroke Unit am Campus Bad Neustadt.
>> Wir können jetzt schon frühzeitig entscheiden, ob eine medikamentöse Behandlung ausreicht oder der Einsatz eines Hirnkatheters zur Auflösung des Blutgerinnsels erforderlich ist. <<
Dass man nicht nur schneller ist, sondern sich auch gezielt medizinisch und pflegerisch auf den ankommenden Patienten vorbereiten kann, sei eine große Verbesserung: „Wir können jetzt schon frühzeitig entscheiden, ob eine medikamentöse Behandlung ausreicht oder der Einsatz eines Hirnkatheters zur Auflösung des Blutgerinnsels erforderlich ist.“ Damit unterstreicht der RHÖN-Klinikum Campus Bad Neustadt seine Vorreiterrolle in Sachen telemedizinischer Innovationen.
ÃœBERALL EINSETZBAR
„Ob der Patient in einem Waldstück, beim Wandern, zu Hause oder im Auto verunglückt ist: Wir können an Ort und Stelle die Reaktionen testen, aufnehmen und an die Klinik senden“, erzählt Notfallsanitäter Mario Hahn, der Telestroke getestet hat. „Wir müssen nicht mehr abwarten, bis das Programm den Versand bestätigt hat. Es verschickt die Sequenz im Hintergrund bis zu zehnmal an die Klinik. In dieser Zeit können wir den Patienten versorgen und schnell ins Krankenhaus fahren“. Doch damit ist die Geschichte des aktuellen Stroke-Angel-Systems nicht zu Ende erzählt. „Viele weitere Verbesserungen des Systems sind für die Zukunft zu erwarten“, so Dr. Soda. „Die Vernetzung von Rettungsdiensten und Kliniken wird weitergehen, damit wir noch mehr Leben retten können.“
>> Ob der Patient in einem Waldstück,
beim Wandern, zu Hause oder im Auto verunglückt ist: Wir können an Ort und Stelle die Reaktionen testen, aufnehmen und an die Klinik senden. <<
RHÖN-KLINIKUM Campus Bad Neustadt
Klinik für Neurologie und Neurologische Intensivmedizin
Sekretariat der Akutneurologie II / Stroke Unit
T. 09771 66 - 22356
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